Ruhrpott Carpaccio

Ruhrpott Carpaccio

Legende in kräftigen Rottönen:

Im 15. Jahrhundert lebte und malte in Venedig ein Mann, dessen Bilder von großer erzählerischer Kraft waren. Dem größtenteils analphabetischen Volk brachte er die Legenden der katholischen Heiligen in kräftigen Rottönen bei. Es waren Bilder mit pädagogischer Wirkung im klassischen Stil venezianischer Schule. Der Maler wird heute nicht in einem Atemzug mit Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarotti oder Raffael genannt, dafür in einem Atemzug mit Scaloppina oder Tortellini. Sein Name: Carpaccio.

Die Rottöne machen es:

Als Giuseppe Cipriani Anfang der 50er-Jahre das Gericht aus dünn geschnittenem Rindfleisch betrachtete, das er so eben erfunden hatte, fühlte er sich an die Bilder des venezianischen Malers erinnert. Nicht nur zu den Heiligen auf Carpaccios Bildern gehören Legenden, sondern auch zur Erfindung der Vorspeise, die bis heute seinen Namen trägt. Wir befinden uns noch immer in Venedig, wenn auch nicht mehr im 15. sondern in der Mitte des 20. Jahrhunderts. In „Harry’s Bar“ gehen die Schriftsteller ein und aus: Orson Welles, Truman Capote, Ernest Hemingway. Alle haben der Kneipe ihre persönlichen, literarischen Denkmäler gesetzt. Auch eine Gräfin kehrt hier regelmäßig ein, die Contessa Amalia Nani Mocenigo. Derzeit hält sie strenge, vom Arzt verordnete Diät, in der Kneipe bestellt sie nur ein Glas stilles Wasser, gebratenes oder gekochtes Fleisch sind ihr Tabu. Guiseppe Cipriani will seine wohlhabende Stammgästin jedoch nicht hungern lassen, er geht in die Küche und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Bald kehrt er zurück, mit einem Gericht in kräftigen Rottönen: Kaltes, rohes Rindfleisch in einer ebenfalls kalten Sauce aus Mayonnaise, Worcestersauce, Zitronensaft, Salz, Pfeffer und ein wenig Milch. Nicht nur die Contessa freut sich: Das Carpaccio gehört bis heute zu den Klassikern der guten, italienischen Küche. Und hat, mittlerweile, auch Einzug in die deutsche Esskultur gehalten. Wenn auch, so lange man vom Besuch beim Italiener um die Ecke absieht, nur als Vokabel: Das Ruhrpott Carpaccio.

Namensgebung:

Die Currywurst, die liebste Wurst eines Landes, in dem es über 1500 Wurstsorten gibt, trägt wahrscheinlich mehr Spitznamen als jedes andere Gericht. Die „Prenzlberg-Platte“, das „Truckerfrühstück“, die „Mantaplatte“, das „Kreuzberger-Filet“, der „Schimanski-Teller“ – in Sachen Namensgebung ist man kreativ. Zur Verbreitung derselben trug nicht zuletzt der Komiker Mario Barth mit seinem Werbespot für McDonald’s bei. Auch die Fast-Food-Kette konnte das ökonomische Potenzial des Ruhrpott Carpaccio nicht länger ignorieren, sodass es dort für einen begrenzten Zeitraum neben den Burgern auf der Speisekarte erschien. Nicht selten deuten die Koseworte auf die Herkunft der Currywurst hin. Kein Wunder, schließlich liegen Berlin und Ruhrpott im Dauerclinch über die Frage: Wo gibt es sie, die beste Currywurst?

Das bleibt am Ende natürlich Geschmackssache. Den Unterschied macht die Art der Wurst, die mit der berühmten Currysauce angeboten wird. Während die Berliner Imbissbuden entweder zu gepökelten und geräucherten Brühwürsten von Schwein und / oder Rind oder darmlosen Wollwurstvarianten greifen, handelt es sich beim klassischen Ruhrpott-Carpaccio zumeist um eine Bratwurst, die weder geräuchert noch gepökelt, dafür aber kräftiger gewürzt ist. Diese Variante aus dem Ruhrgebiet ist teilweise auch mit Jäger- oder Zigeunersauce erhältlich.

Zutaten des Ruhrpott Carpaccio:

Unabhängig davon: Um das Ruhrpott Carpaccio vollständig zu machen, fehlt natürlich noch ein elementarer Bestandteil – die Pommes Frites, die Mayonnaise, das Ketschup. Zugegeben: So wird aus dem Wurstgericht erst die massive Kalorienbombe, andererseits kann sich ein labbriger Toast ganz einfach nicht mit goldgelben, krossen Pommes messen. Gerade in der Vereinigung der drei Saucen, die sich in diesem Fall auf dem Teller befinden, entsteht für viele Liebhaber ein kulinarisches Erlebnis, das durchaus mit den Köstlichkeiten aus Venedig mithalten kann. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht mit der Kunst der venezianischen Schule zu vergleichen ist.

Die Currywurst Hymne:

Während das alljährliche „Festival der Currywurst“ interessanterweise weder in Berlin noch an der Ruhr, sondern am Rhein, in Neuwied, stattfindet, stammt die unsterbliche Hymne an die Currywurst von einem Mann, der zum Ruhrgebiet gehört, wie Kohle und Fußball, Herbert Grönemeyer: „Kommse vonne Schicht / Wat schöneret gibt et nich / Als wie Currywurst.“ Es nicht verwunderlich, dass auch das Grönemeyer und das „Bratwursthaus“ die Heimat verbindet. Die Heimat und die Liebe zum Ruhrpott Carpaccio. Wer aus Bayern oder Bremen kommt, muss deshalb noch lange nicht verzichten. Im Online-Shop des Bochumer Bratwursthauses (http://www.bratwursthaus.com/shop/) gibt es schließlich alles, um in der heimischen Küche ein bisschen Ruhrpott spielen zu können.